Post aus Sachsen! Die Sonntagskolumne von Jörg Urban
Liebe Freunde, liebe Leser,
„die größte Bedrohung für die Meinungsfreiheit ist aus meiner Sicht inzwischen die Zensurkultur, die man im angelsächsischen Sprachgebrauch auch Cancel Culture nennt“.
Diesen Satz unterschreibe ich vorbehaltlos. Er stammt aber nicht von mir, sondern von CDU-Chef Friedrich Merz. Er posaunte ihn in einem Interview mit der WELT am 27. Juli hinaus.
In dem Gespräch finden sich auch viele andere Äußerungen, die aufhorchen lassen. So wirft Merz der Bundesregierung vor, „auf einem Auge blind“ zu sein und echauffierte sich über die „Auswüchse“ des „Kampfes gegen rechts“.
„Völlig legitime Meinungen des demokratischen Spektrums oder sogar wissenschaftliche Erkenntnisse“ – etwa aus dem Bereich der Biologie zur Anzahl der Geschlechter – würden ausgeschlossen. So dürfe das nicht weitergehen, empörte sich Merz.
Fünf Tage nach diesen Worten dann das: Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Konstantin von Notz, fragte Merz aufgebracht, ob er „noch alle Latten am Zaun“ habe.
Der Anlass: Friedrich Merz sollte am 31. August zusammen mit dem US-Senator Lindsey Graham diskutieren. Den Grünen-Politiker brachte das in Rage, weil vier Stunden vorher der Jurist Joachim Steinhöfel und der Journalist Henryk M. Broder an gleicher Stelle für eine Podiumsdiskussion vorgesehen waren. Die Grünen unterstellen beiden eine Nähe zur AfD, obwohl noch nicht einmal das zutrifft.
Friedrich Merz „cancelte“ dennoch seine eigene Teilnahme an der Veranstaltung sofort in vorauseilendem Gehorsam und wollte sich lieber anderweitig mit Graham treffen.
Graham warf Merz daraufhin vor, „nicht anders als die Linken“ zu sein und lehnte das neue Angebot dankend ab. „Bei Konservativen geht es um einen offenen, ehrlichen Dialog, in dem Standpunkte dargelegt werden und die Menschen zusammensitzen und einander zuhören“, so Graham über sein eigenes Verständnis der Meinungsfreiheit.
Der ehemalige US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, wurde noch deutlicher: Die „intolerante Linke“ habe es sich zum Ziel gesetzt, das Denken auf der ganzen Welt zu vereinheitlichen. Sich davor wie Merz zu „verneigen“, sei „feige“ und eine „Schande“.
Aus diesem Vorfall lässt sich meines Erachtens eine ganze Menge lernen: Zunächst einmal möchte ich Sie bitten, auf die – auf den ersten Blick – kernigen Aussagen von CDU-Politikern wie Friedrich Merz oder auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer nicht hereinzufallen.
Sie reden alle viel, wenn der Tag lang ist, und wissen, dass sie mit dem Prinzip des „So tun als ob“ konservative Wähler an die CDU binden können. Diesen konservativen Wählern müssen wir die Augen öffnen.
Denn genauso wie Merz kein Verteidiger der Meinungsfreiheit ist, sondern an der Zensurkultur fleißig mitwirkt, ist auch Michael Kretschmer mit seinen Äußerungen zur Energiewende und zur diplomatischen Verständigung mit Russland ein Blender, der seinen Worten keine Taten folgen lässt.
Kretschmer hätte schließlich im Sächsischen Landtag eine parlamentarische Mehrheit für eine Bundesratsinitiative zur Beendigung der Russland-Sanktionen, lehnt das aber ab. Ebenso könnte er den Ausbau der Windkraft stoppen und gemeinsam mit uns für die Kernkraft stimmen. Stattdessen will er jedoch zusammen mit den Grünen Windräder in den Wald stellen, obwohl ein solches Vorhaben selbst im Koalitionsvertrag noch ausgeschlossen wurde.
Merken Sie sich deshalb bitte: Die CDU ist schon längst keine konservative Partei mehr. Sie beugt sich immer dem Zeitgeist, sobald auch nur der geringste Gegenwind aufkommt. Damit verliert sie jede Gestaltungsmacht und lässt sich von anderen lenken.
Die in Sachsen mitregierenden Grünen nutzen das geschickt aus, um die Kräfteverhältnisse auf den Kopf zu stellen. In Wahrheit bestimmt die Acht-Prozent-Partei die Agenda, denn die CDU hat sich freiwillig zum Wurmfortsatz der Grünen degradieren lassen.
Bis bald,
Ihr Jörg Urban