Vorsicht, Post aus Sachsen! Die Sonntagskolumne von Jörg Urban
Liebe Freunde, liebe Leser,
die friedliche Wendezeit von 1989 und der Fall der Mauer gehören zu den Höhepunkten der deutschen Geschichte, auf die wir alle sehr stolz sein können. Der Ruf „Wir sind ein Volk“, massenhaft geäußert von mutigen Bürgern bei Montagsdemonstrationen, brachte das Unrechtssystem der DDR zum Einsturz.
Die Erinnerung daran sollten wir im Herzen bewahren, denn sie gibt Kraft für aktuelle politische Kämpfe. Wenn sich die Regierung von den Bürgern abkapselt und weltfremde Entscheidungen trifft, zeigt der Rückblick auf 1989, dass Protest von unten erfolgreich sein kann.
Am 19. Januar 1989 prophezeite Erich Honecker noch siegessicher, die Mauer werde „in 50 und auch in 100 Jahren“ bestehen. Er irrte sich zum Glück gewaltig. Der Freiheitsdrang der eingesperrten Menschen war mächtiger als staatliche Zielvorgaben und utopische Ewigkeitsvorstellungen.
Aus diesem Grund ist auch die Lockdown-Politik zum baldigen Scheitern verurteilt. Trotzdem hält die Regierung mit ähnlichen Durchhalteparolen wie Ende der 80er-Jahre daran fest. Sie hat aus der Geschichte nichts gelernt und mehr noch: Inzwischen geht sie offen dazu über, sie zu verfälschen.
Am Donnerstag sagte CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer im Sächsischen Landtag, die Deutsche Einheit wäre nicht gelungen, hätte es damals schon „solche bösartigen Demagogen“ wie jene von der AfD gegeben.
Dieser unverschämte Angriff unter die Gürtellinie ist in mehrfacher Hinsicht bezeichnend: Zum einen ist er eine argumentative Bankrotterklärung. Wer nicht mehr weiter weiß, fängt an, seine Konkurrenten zu beleidigen und zu Staatsfeinden zu erklären – auch das ist eine auffällige Parallele zur DDR-Regierung.
Zum anderen suggeriert Kretschmer mit dieser Äußerung, seine Partei – die CDU – habe die Wende herbeigeführt und nicht etwa die couragierten Menschen auf der Straße. Dabei war die CDU in der DDR eine gleichgeschaltete Blockpartei, die das autoritäre kommunistische Regime mitgetragen hat; die Freiheitsberaubung, Bespitzelung der Bürger und Mauertote direkt mitzuverantworten hat.
Jörg Schönbohm, langjähriger CDU-Innenminister Brandenburgs, betonte deshalb: „Wir kennen die Schuld, die auch Christdemokraten auf sich geladen haben.“ Zu einer solch differenzierten und selbstkritischen Sicht auf die Geschichte ist Herr Kretschmer indes nicht fähig. Daher ist er auch nicht in der Lage, die richtigen Schlüsse für die Gegenwart zu ziehen.
Aus 1989 und der davor liegenden DDR-Zeit sollten wir lernen, dass Ausgangssperren, Ausreiseverbote und ähnlich restriktive Maßnahmen niemals zu einer freiheitlichen Demokratie passen.
Eine weitere Lehre betrifft den Umgang mit der Opposition. Bespitzelungen in Stasi-Manier zur Bekämpfung Andersdenkender darf es in einer Demokratie nicht geben. Leider agiert der bundesdeutsche Verfassungsschutz jedoch längst wie ein Regierungsschutz und unterstützt die regierende CDU dabei, die AfD als stärkste Oppositionspartei zu schwächen. Das ist ein unhaltbarer Zustand und jeden Tag aufs Neue skandalös.
Erfreulicherweise durchschauen viele Ostdeutsche diese Strategie. In der DDR hatten sie gelernt, die Aussagen der Regierung durch einen Filter laufen zu lassen. Somit können sie sehr genau einschätzen, was sie der CDU zu verdanken haben und woran sie in den letzten 30 Jahren gescheitert ist.
Problematisch ist insbesondere, dass Ostdeutsche noch heute kaum in Führungspositionen vertreten sind. Laut einer Studie von 2019 gibt es keinen einzigen ostdeutschen Universitätsrektor. Das heißt: Auch an der Spitze aller sächsischen Universitäten stehen nur Westdeutsche.
Ähnlich verheerend sieht es in den Ministerien aus. Nur vier von 133 Abteilungsleitern in Bundesministerien stammen aus den Neuen Bundesländern. Damit gerät die Vertretung ostdeutscher Interessen ins Hintertreffen und viele Ostdeutsche gewinnen den Eindruck, sie seien lediglich Bürger zweiter Klasse. Das hat die CDU zu verantworten und hier besteht akuter Nachholbedarf beim immer noch nicht abgeschlossenen Einigungsprozess.
Die AfD ist in den Neuen Bundesländern so stark, weil sie sich dieser Probleme annimmt, den „kleinen Leuten“ eine Stimme gibt und es nicht akzeptiert, wenn die Regierung vom Weg der Freiheit abkommt.
Bereits jetzt möchte ich Ihnen frohe Ostern wünschen,
Ihr Jörg Urban